Der Digitale Produktpass (DPP) ist ein zentraler Bestandteil der EU-Ökodesign-Verordnung und der revidierten Bauprodukteverordnung für eine nachhaltige und zirkuläre Bauindustrie. Das Konzept basiert auf einem Datensatz, über den Hersteller und Inverkehrbringer alle über den Produktlebenszyklus erforderlichen Produktdaten und weitere Informationen zentral bereitstellen. Er enthält umfassende Informationen zu den Leistungen der unterschiedlichen Grundanforderungen des jeweiligen Bauprodukts. Durch die digital vernetzte Zugänglichkeit dieser Leistungsdaten ermöglicht der DPP eine bessere Abstimmung von Anforderungen und Leistungen entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts mit folgenden Vorteilen:
- Durch den einfacheren Vergleich, z. B. durch den Austausch von Bauprodukten in der Planung, kann das optimale/nachhaltigere Produkt für den jeweiligen Ort gefunden werden, was die Bauqualität in allen Aspekten steigert.
- Durch eine genauere statische Bemessung kann der Einsatz von Materialien reduziert werden.
- Die Rückverfolgbarkeit erleichtert den Zugang zu Informationen über den Unterhalt, die Reparatur oder den späteren Ersatz von Bauteilen.
- Daten zur ökologischen Nachhaltigkeit werden vom Anbieter über den DPP deklariert und in den Angeboten vergleichbar gemacht.
Durch die Erfassung von Daten zur Materialzusammensetzung, Umweltauswirkungen, Recyclingfähigkeit und z. B. besorgniserregenden Stoffen ermöglicht der DPP eine bessere Rückverfolgbarkeit, erleichtert die Einhaltung von Vorschriften und fördert die Kreislaufwirtschaft.
Der DPP beruht konzeptionell auf der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR), die am 18. Juli 2024 in Kraft getreten ist, und inhaltlich auf der überarbeiteten EU-Bauproduktenverordnung (newCPR = Construction Products Regulation). Der DPP wird in der EU schrittweise für verschiedene Produktkategorien eingeführt. Die überarbeitete Bauproduktenverordnung enthält insbesondere viele neue Informationsanforderungen bezüglich der Umweltauswirkungen der Bauprodukte. Dadurch können Unternehmen bereits in der Ausschreibung entsprechende Anforderungskriterien festlegen. Der DPP ist daher für Firmen auch eng mit der Erfüllung von Kriterien hinsichtlich Fragen zu Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) verbunden.
Dieses Whitepaper gibt einen aktuellen Überblick zum Stand der Einführung des DPP in der EU und den entsprechenden Auswirkungen auf die Schweiz. Es nutzt das von Bauen digital Schweiz / buildingSMART Switzerland (BdCH/bSCH) publizierte Whitepaper «Digital vernetzte Bauproduktdaten als Grundlage für die Zirkularität»1 als Grundlage.
Durch Scannen oder Auslesen eines eindeutigen Produktidentifikators können Konsumenten und andere Akteurinnen entlang der Lieferkette, auf die im DPP gespeicherten Informationen zugreifen. Zu den wichtigsten Informationen des DPP gehören zunächst die eindeutige Produktidentifikation mit der Produktbezeichnung sowie der Angabe des verantwortlichen Herstellers oder Inverkehrbringers, gefolgt von Daten zu technischen und umweltbezogenen Eigenschaften sowie Links zu nichtstrukturierten Informationen, wie Beschreibungen und Dokumentationen in Form von Montageanleitungen und Sicherheitsinformationen. Er kann die passenden Ersatzteile auflisten und weiter auf die Materialzusammensetzung sowie die Herkunft der Rohstoffe eingehen. Darüber hinaus enthält er Werte von Indikatoren der Umweltauswirkung von Bauprodukten, die aus Umweltproduktdeklarationen (EPD) stammen wie das Treibhausgaspotential (GWP) oder die in der Herstellung bereits verbrauchte Energie (Primärenergie) sowie mögliche weitere Angaben zu Wiederverwendbarkeit, Recycling oder Entsorgung. Damit enthält der DPP die wesentlichen Informationen, die zur Bewertung und Bewirtschaftung von Gebäuden entlang des gesamten Lebenszyklus erforderlich sind. Über den DPP deklariert der Hersteller oder der Inverkehrbringer die Eigenschaften seines Produkts entsprechend der für dieses Produkt geltenden harmonisierten europäischen Bauproduktenorm (hEN). Planende können sich auf diese einfach zugänglichen Daten stützen und damit die Erfüllung der regulatorisch vorgeschriebenen Anforderungen gewährleisten und nachweisen.
Die im DPP enthaltenen Daten müssen strukturiert, eindeutig und maschinenlesbar sein und beruhen idealerweise auf einem Data Dictionary. In der Folge nimmt dieses Whitepaper Bezug auf das buildingSMART Data Dictionary (bSDD), in den unterschiedlichen Branchen eine gemeinsame Sprache für die Beschreibung ihrer Produkte und deren Eigenschaften festlegen. Auf dieser Grundlage können Product Data Templates (PDT) und darauf basierend Product Data Sheets (PDS) erstellt werden.
Die Einführung des DPP in der EU erfolgt in mehreren Schritten. Pilotprojekte testen die Funktionalität des DPP in der Praxis. Darauf folgen die Standardisierung und darauf aufbauend die Entwicklung konformer, interoperabler Systeme. Schliesslich werden spezifische Anforderungen für verschiedene Produktkategorien festgelegt, die Nachhaltigkeit und Transparenz fördern. Bei der schrittweisen Einführung plant die EU, zunächst Produktkategorien mit hohen Umweltauswirkungen zu priorisieren. In sogenannten delegierten Rechtsakten wird in Verordnungen detailliert festgehalten, wie die Umsetzung im Detail – beispielsweise pro Produktfamilie – erfolgen soll. Delegierte Rechtsakte betreffen somit anzuwendende harmonisierte Normen, technische Spezifikationen, Prüfmethoden, Kennzeichnung und Produktinformationen, insbesondere den DPP. Ein separater Rechtsakt wird voraussichtlich den DPP für alle Produktfamilien regeln. Zur Erstellung der für den DPP notwendigen Normen hat die Europäische Kommission bereits das Europäische Komitee für Normung (CEN) beauftragt.
Schweizer Unternehmen, die Bauprodukte in der Schweiz und den anderen europäischen Ländern vertreiben, müssen in Zukunft grundsätzlich die Anforderungen des DPP erfüllen. Dies erfordert Anpassungen in den Prozessen, bietet aber auch die Möglichkeit, durch ein hohes Ökodesign-Rating die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die Schweiz arbeitet zudem daran, ihre Gesetzgebung anzupassen, um die Kompatibilität mit dem EU-System zu gewährleisten und Schweizer Unternehmen die Teilnahme am digitalen Binnenmarkt zu ermöglichen. Dies wird mittelfristig eine Übernahme der DPP-Regeln für den Schweizer Binnenmarkt zur Folge haben.
Dieses Whitepaper richtet sich an Bauunternehmer, Hersteller und Händler von Bauprodukten (Inverkehrbringer), Architekten, Ingenieure, BIM-Manager, Datenverantwortliche sowie Regulierungsbehörden. Insbesondere sollen Fachleute angesprochen werden, die für die Implementierung und Verwaltung von BIM-Prozessen und den DPP im Rahmen von openBIM-Projekten verantwortlich sind.
Zur Hervorhebung von Informationen kommen Infoboxen zum Einsatz.
Die in diesem Buch angegebenen QR-Codes bzw. QR-Codes verweisen entweder auf die Quellen der Bilder oder auf weiterführende Informationen. In den digitalen Versionen sind die QR- Codes klickbar (ebenso wie die Querverweise in lila im Text) bzw. in der Webvariante entfallen die QR-Codes und die Verknüpfungen wurden stattdessen mittels dem Vermerkt (Link) eingebettet.
1 Whitepaper «Digital vernetzte Bauproduktdaten als Grundlage für die Zirkularität»
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